Archive für Juli 2010

Halbleer

Heute ist es auf den Tag genau 18 Monate her, dass ich ins Hospiz „Haus Zuversicht“ eingezogen bin. Niemand, erst recht nicht ich (oder der Arzt, der meine Diagnose erstellt hat), hätte gedacht, dass es bei mir so lange dauert mit dem Ableben. Im Internet bin ich auf eine Seite gestoßen, die schon überholt war. Diagnose ‘ALS’ in 2009, knappe 8 Monate danach Exitus. Beneidenswert.

Für neu Mitlesende: Mich hat eine sehr selten auftretende, perfide verlaufende, tödliche Krankheit erwischt. Bis zum Erhalt meiner Diagnose hatte ich davon noch nie gehört: „ALS“, Amyotrophe Lateral Sklerose.

Eine kurze, nicht-qualifizierte und subjektive Info dazu: garantiert tödlich, nicht ansteckend, unsichtbar, unheilbar und Ursachen unbekannt. Stell’ Dir vor, bei Deinem Auto unterbricht jemand die Verbindung zur Lichtmaschine. Erstmal merkst Du gar nichts und fährst mit Batteriestrom weiter. Bis die Reserven erschöpft sind und nichts mehr geht. Bei ALS ist’s so ähnlich: die Kommunikation zu den Muskeln wird unterbrochen, eine gezielte und erfolgreiche Ansteuerung wird zunehmend unmöglich, bis gar keine Bewegungen mehr möglich sind, bis auf den Herzmuskel und die der Augen. Solange macht man weiter, als wäre nichts  - bis die ersten Ausfälle sich nachdrücklich bemerkbar machen. Bei mir war es das linke Bein, der linke Arm und die Aussprache (die Zungenmuskeln werden auch nicht verschont!).

Jedenfalls hatte ich in den vergangenen 2 Jahren reichlich Gelegenheit, die „andere Seite“ kennenzulernen. In Zeitraffer lernte ich verschiedene Hilfsmittel, hilfreiche und freundliche Menschen, Dienstleistungen sowie die unvermeidlich dazugehörende Bürokratie kennen.

Ich war völlig verzweifelt als ich herkam. Jetzt kann ich nur müde drüber lächeln. Nicht, dass es hier besser geworden wäre und ich lieber hier wäre als vor anderthalb Jahren. Oder dass es mir besser ginge. Nein, beileibe nicht! Mir fehlt (u.a.) Dolby Surround Sound zu Filmen. Aber irgendwie ist es nicht mehr so einschneidend, es bleibt an der Oberfläche. Vielleicht habe ich jetzt ein dickeres Fell, aber in jedem Fall ist alles stark relativ und hängt extrem vom Standpunkt ab. Wäre ich heute so klapprig und schwach wie bei meinem „Einzug“, würde ich tanzenderweise eine Grillparty organisieren, dafür einkaufen, Cocktails mixen und grillen. Aber leider hat die Krankheit bei mir genau den prognostizierten Verlauf genommen: Muskelkraft nahe null, ich kann kaum noch stehen, mich nicht mehr aufrichten oder den Kopf gerade halten. Wenn ich esse, erinnern meine Kopfbewegungen an Krokodile; die können auch nicht vernünftig kauen.
Gestern bei der Krankengymnastik musste meine Krankengymnastin erneut stärker unterstützen. Lag das Verhältnis „bewegen-zu-bewegt-werden“ zu Beginn noch bei respektablen 40:60, sind wir mittlerweile bei 5:95…

Ich glaube, der Trick besteht darin, sich auf das zu konzentrieren, was man (noch) kann und daraus Kraft zu schöpfen, statt auf das, was man nicht (mehr) kann. Es ist definitiv alles eine Frage der Sichtweise und der Einstellung! Vor anderthalb Jahren hielt ich mich für klapprig, hilfsbedürftig und behindert, das Glas war halbleer, nicht halbvoll.

Heute wünschte ich mir, so „schwach“ zu sein - eben alles eine Frage des Standpunkts…

Einen sehr guten TV-Spot  zu ALS („motor neurone disease“) habe ich auf den Seiten eines Leidensgenossen gesehen. Etwas drastisch, FSK12 und „shocking“, aber wie sagt man doch so treffend „ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“. Ich mag ihn jedenfalls, erklärt er doch besser als jeder Leidensbericht die Gefühle im Verlauf der Mutation hin zum Pflegefall…

Kraken-Orakel

Im Oberhausener Aquarium „Sea Life“ lebt ein Krake mit dem schönen deutschen Namen „Paul“. Er hat bislang alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft richtig prophezeit! Und das funktioniert so: es werden 2 Plexiglaskästen mit jeweils einer Portion Muschelfleisch darin und mit der Landesflagge davor gekennzeichnet in sein Becken hineingelassen. Das erwählte Land, dessen Deckel Paul anhob und dessen Inhalt er verspeiste, gewann auch das anstehende Spiel.

Bisherige Trefferquote von Pauls Prophezeiungen: 100%!

Als Paul diesmal vor dem Halbfinale die spanische Box öffnete, war das Geschreie groß; es bildeten sich ganze Anti-Paul-Bewegungen…
Jetzt, nachdem die Spanier Jogis Jungs den Schneid abkauften, überlegen die Verantwortlichen im Sea Life Aquarium sicher, Paul unter „Krakenschutz“ zu stellen ;-) .

Da sind die Spanier klarer strukturiert - bei ihnen heißt ein Krake nicht Paul, sondern „Paella“…

Mal sehen, ob die Spanier zum ersten Stern greifen oder unsere holländischen Nachbarn im 3. Anlauf. Fakt ist jedenfalls, dass der Titel weiter in Europa bleibt.

Shreklich.

Gestern habe ich „Shrek forever“ (Teil 4) gesehen. Vorab schicken muss ich, dass der Film eher etwas für Erwachsene und ausgesprochene Oger-Fans ist. Ich bin zwar erwachsen und Ogerfan - aber  nicht begeistert. Den Charme und den Witz der beiden ersten Filme in den letzten hinüberzuretten, ist den Machern leider nicht gelungen. Schade, passiert aber wohl häufiger, dass die Luft zum Ende hin ausgeht. An den gezahlten Löhnen kann’s nicht liegen: allein Eddie Murphy erhielt für die Synchronisierung des Esels 25.000.000 Dollar…

Wer also seinen Blagen etwas Gutes tun will, schickt sie zum Spielen nach draußen oder kauft sich Teil 1+2 auf DVD und veranstaltet einen gemütlichen Filmenachmittag mit Waffeln, Obst und Saft für die lieben Kleinen.

Übrigens: die ersten 20 min. haben die Drehbuchautoren des Films nahezu 1:1 aus meiner unveröffentlichten Autobiografie abgekupfert. Ich kämpfe noch mit mir wegen einer Klage. Was meint Ihr?

Oranje!

Die Holzschuhhelden haben der Samba Fraktion vom Zuckerhut gezeigt, wie der Gouda rollt! Und dieses Mal haben es ihnen alle gegönnt. Sogar der überwiegende Teil der Deutschen - und das will was heißen, bei der durchaus vorhandenen Rivalität der Fußballnationen und Nachbarn. Jetzt lautet das Wunschfinale der Fans Holland : Deutschland. Für mich durchaus denkbar, wurden doch die echten Schwergewichte schon im Viertelfinale bezwungen, die Holländer knapp die Brasilianer und wir mit einem 4:0 Kantersieg die Gauchos aus Argentinien.

Jetzt hat Holland gegen die wahrhaft nicht überzeugenden „Urus“ ein quasi Freilos vor der Brust, und unsere Truppe muss nochmal echt ran. Die Spanier sind immerhin amtierender Europameister und beherrschen das schnelle und gepflegte Kurzpassspiel im Schlaf, obwohl sie sich gegen Paraguay echt nicht mit Ruhm bekleckerten. Ich hoffe jedenfalls mal auf das Traumfinale gegen unsere Flachlandnachbarn.

Heute abend gab es endlich die längst fällige kalte Dusche, mit reichlich Blitz und Donner. Jetzt bekommt man wieder Luft, Schlaf und kann sich bewegen, ohne gleich in Schweiß auszubrechen. Für mich einerlei, ich bewege mich ohnehin nicht mehr wirklich viel ;-) , aber trotzdem angenehm.

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